Samstag, 24. Februar 2007

ich wiederhole mich. und zwar um zum thema zu kommen.

um noch einmal in aller kürze auf ein schon einmal erwähntes thema zurückzukommen:

ich liebe sprachen.
und ich liebe es, wenn andere menschen sich voller begeisterung auf andere sprachen stürzen, in diese eintauchen wollen, sich auf sie zu-, hinbewegen als ein gelebtes kommunikationssystem, in dem andere untrennbar leben. ich bin kein logiker. esperanto wäre nichts für mich.
und ich liebe menschen, die diese menschen verstehen. die sich zeit nehmen, diesen ihre eigene sprache näher zu bringen, deren konnotationen, verästelungen, die "fehler" des lernenden nachsehend; die, die es noch fertig bringen, tatsächlich über die eigene sprache selbst verblüfft zu sein, wenn ein fremdsprachler das beim lernen manchmal auch ist (ach so, ich mag kinder übrigens auch, das hier am rande). menschen, die nicht immer gleich sagen, ach lass mal, du, ich kann dir das jetzt auch ruckzuck in englisch erklären.
soweit zu meinem idealbild von kommunikation. das ist schön, aber nicht immer leicht.
ich liebe aber nicht: die flucht vor der sprache, vor der eigenen weg zu einer anderen. das ablehnen von etwas, das gar nicht anders kann, als das erste ausdrucksmittel gewesen zu sein. und das schon direkt, nachdem man es gelernt hat. zu schlucken, dass etwas anderes, später gelerntes, schöner, besser, glänzender sei.
hier könnte man dostojevski und viele seiner charaktäre zitieren. kleist, wenn man will.
das heisst dann, der macht die füße küssen auf eine so normale art und weise als würde man sich die nase putzen, und die macht wird sich nicht wundern, denn für sie ist es normal.

ausserhalb des deutschen sprachraumes gibt es nun zwei autoren, die ich seit langem sehr mag, die jedoch beide ihre sprachen nicht zu mögen behaupteten. der eine ist jean genet, dessen begründung dafür ein französisch schreibender dichter zu sein, schlicht war, einer sprache, die ihn von klein auf ausgrenzte, ihre schönsten seiten abzutrotzen, sei seine größte rache an ihr. paradox?
der zweite ist juan goytisolo. 1931 in barcelona geboren, verlor er seine katalanische mutter im ersten luftangriff unter franco (dass barcelona eben tatsächlich 'nicht' spanien ist, sondern catalunya, mit einer eigenen sprache, die es jahrzehntelang verboten war zu sprechen, wird meine mitbewohnerin bei anderen nicht müde zu betonen, und wenn ich die belustigte reaktion ihrer gesprächspartner hier sehe, verstehe ich immer mehr warum - viva espana!), während sein vater (inhaftiert unter der republik) ein linientreuer franquista wurde. goytisolos gesamtes werk ist eine bis dato von der intensität und der schärfe her unerhörte kritik an der spanischen geschichte und kultur (so sehr, dass sie mir selbst schon manchmal zu weit geht). und zwar verfasst auf spanisch. in seinem roman reivindicación del conde don julián erklärt er metaphorisch sehr anschaulich warum: der held sitzt, "gegenüber seines heimatlandes", in marokko, dem land seiner wahl, in einer bibliothek in marrakesch: wie jeden tag, nachdem er in den straßen gekifft hat, sitzt er dort an seinem arbeitsplatz, lernt intensiv arabisch (die sprache einer in spanien ausgelöschten kultur), schreibt - und beendet sein tagwerk, indem er eine fliege in einem spanischen diccionario zerquetscht. auf den gehassten, "schuldbeladenen" wörtern bleibt ein blutfleck zurück.
das heisst schreiben für goytisolo.
im gegensatz zu genet lernte goytisolo aber hierzu mehrere fremdsprachen: sowohl arabisch als auch persisch und türkisch. all das ins 'eigene', ins castellano zurückholen, was von diesem selbstverständlich und selbstherrlich vergessen wurde.
beide schriftsteller also griffen jeweils eine sprache an, die sich selbst niemals wirklich in frage stellte als die einer legitimen macht - und beide bereicherten sie damit unschätzbar.
dass das französische heute durch den ungeheuren angriff eines genet noch schillernder strahlt - eine schöne ironie, eine groteske ganz nach seinem geschmack.

nun ließe sich die liste mit schriftstellern, die auf deutsch ein ähnliches versuchten, den schmerz an der sprache thematisieren, um ein unendliches verlängern, von paul celan über ingeborg bachmann, von nelly sachs zu w.g. sebald. der entscheidende punkt daran ist: sie würde um so vieles länger werden als in der sprache aller anderen.
und der noch entscheidendere: die gelebte realität sieht um so vieles banaler aus.
wenn ein goytisolo sich einer sprache wie dem spanischen allein entgegenstellt, die so viele andere idiomas usurpiert hat, die auf ihrem eigenen terrain immer noch nicht die existenz anderer sprachen wahrnehmen will, dann hat das eine größe. wenn eine nelly sachs in einer "fahrt ins staublose" (gedichttitel) in ihrem gesamten werk versucht, sich die sprache, die gleichzeitig ihre eigene ist und die derer, die ihre gesamt familie ausgelöscht hatten, zu retten, dann steckt darin eine beeindruckende kraft.
wenn aber kollektiv eine gesamte sprachgemeinschaft (zumindest deren politisch erzogener großteil) die eigene sprache nicht mehr als etwas versteht, mit dem man sich produktiv auseinandersetzt, sondern sich eigentlich diskursiv und unaufhebbar von ihr entfernt hat als normalzustand, dann spricht eben die macht eine ganz andere sprache:
klingt scheisse, mein akzent, wa? ja, da haste auch recht, aber ich sags schneller als du selbst.
nachkriegspolitik, allied-dialektik.
und das ist schlicht etwas, das mich manchmal sauer, immer öfter etwas traurig macht. was ich aber immer wieder gerne ruhig zur kenntnis nehme, um dann zu ergänzen: ist ja alles schon in ordnung, aber höre, sie hat auch so schöne seiten - und hör nur ein bisschen genauer hin, dann kling ich vielleicht auch nicht wie ein nazi aus hollywood inc.
(gestern lustigerweise an einem wort erprobt, das weder der eine, also ich, noch die andere auf englisch wussten: schilddrüse - heisst auf spanisch übrigens tiroides...sag doch du auch mal.)
schade nur daran, dass so viele sprachmitsprecherInnen schon vor einem selbst fleissig mit das gegenteil bestätigen in aller herren länder.
die sprache der macht ist wahrlich ein perfides ding.

und somit, nachdem ich mich nicht, wie versprochen, kurz fassen konnte, nun zu meinem eigentlichen thema: einer konferenz, die mich in jeder hinsicht sehr begeisterte, die mich mit so vielen fragen positiv aufgeladen entließ, wie es konferenzen tatsächlich nicht oft schaffen, mit so vielen, dass sie nicht einmal im anschliessenden diskussionskleinkreis alle zu besprechen waren, obwohl es einen anfang gab: coming to terms with the past, deutsche und türken treffen sich gemeinsam mit anderen und besprechen eines der ganz großen themen einmal (erfrischend) neu, vorsichtig tastend, von vielen disziplinen, ländern, fallbeispielen, mit vielen verschiedenen lösungsansätzen, offenen problemen, vergleichen - eine antwort hatte keiner. einen fix und fertigen road map, von den türken bitte sofort umzusetzen erst recht nicht. hier aber erstmal ein einschnitt, sonst wird das als einzelner eintrag für viele zu lang und man müsste es als buch binden lassen - und die notizen aus dem kellerloch ist ja nun als titel schon vergeben.
ansonsten habe ich noch genau anderthalb stunden, bevor ich die vorgestern dann doch verpassten kunstpornos von abramovic und freunden noch ein letztes mal sehen kann, also halte ich mich mal etwas ran... :)

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