gestern abend im zug endlich die zeit gefunden, den von der heinrich böll veröffentlichten und auch übersetzten artikel von hrant dink zum komplexen verhältnis von türken und armeniern zu lesen. er selbst war ja beides, betont. dabei zum ersten mal bemerkt, wie groß der verlust durch seine ermordung tatsächlich ist: auf dreissig seiten nimmt er einen an der hand und versucht einem mal ohne eile, und in aller ausführlichkeit die verschiedenen seiten des konflikts, die vielen in ihn hineinverstrickten historischen, zeitgeschichtlichen, geopolitischen, mentalitätsgeschichtlichen fäden aufzuzeigen. schonungslose kritik dabei an einer noch immer in "paranoia" verhafteten türkischen staatsraison - aber auch die verspielten chancen auf der (den!) gegenseite(n). (armenien, türkische armenier, diaspora-armenier).
und paradoxerweise, all das pessimistische, was sich in den letzten wochen in mir angesammelt hatte wegen eines immer mehr sich mobilisierenden ultranationalismus in der türkei, -(selbst)zensur, zugeständnisse an die rechte, fortführung absurder prozesse - fiel ausgerechnet bei der lektüre von dessen letztem prominentem opfer von mir ab: denn das, was er in diesem noch letztes jahr geschriebenen aufsatz immer und immer wieder versichert: alles, was jetzt kommt, wird wohl sehr lange dauern, und es gibt immer noch die offizielle, zynische 'version' verbreitet von der "türkischen gesellschaft für geschichte", die den einfluss auf schulsystem und medien zu halten versucht mit immer neuen tricks, es gibt die finten der regierung, wenn es darum geht, in einen dialog zu treten mit armenien - aber all das, so dink, sei nichts als ein zwangsläufiges, heftiges aufbäumen von etwas, das aufhören wird zu existieren. und je weiter es sich aufbäumt, umso mehr diskreditiert es sich selbst nicht nur international, sondern immer mehr auch intern, in der zivilbevölkerung. lehrer weigern sich, den alten lehrplan zu nutzen, regierungen (als ausführende organe des staates gezwungen praktisch zu handeln) sehen sich gezwungen, kritische relektüre der schulbücher von seiten der EU (auch hier: sensibler punkt, weil bevormundung von außen) und örtlichen ngo's zu akzeptieren.
und so gibt es eben mittlerweile dieses kräftedreieck von staat, politik und zivilbevölkerung und spätestens seit der ersten, international sehr beachteten, "armenierkonferenz" 2005 an der bilgi-universität, die man letzten gezwungen war, zuzulassen, wird es immer schwieriger, sich nicht in peinlichen widersprüchen zu verheddern, die jeden dialog zu verhindern versuchen.
soweit hrant dink.
und damit nebenbei und am ende des texts: bin also wieder in berlin. das war mir spätestens klar, als der taxifahrer nochmal die adresse nachfragte: nicht kumpelhaft wie in istanbul, nicht servicebeflissen wie in frankfurt - ein kurzes, ein knappes: "hää? winz?" wäre das das einzige willkommen gewesen, wäre ich direkt wieder umgedreht :-)
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2 Kommentare:
willkommen zurück also!
hast du mein mail eigentlich bekommen, vom... 12.3.? (solange ist das schon her...) nicht, dass sie im spam geendet ist...
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