Sonntag, 11. März 2007

ruhe! it's not just that it's sexy.


Words in papers, words in books
Words on tv, words for crooks

Words of comfort, words of peace

Words to make the fighting cease
Words to tell you what to do
Words are working hard for you
Eat your words but don't go hungry
Words have always nearly hung me

What are words worth?
What are words worth? - words

wordy rappinghood, the tomtomclub.

gestern abend. schwarzmarkt für nützliches wissen im hau 2. /mit einer freundin.
berlin in einem seiner brenngläser. eigentlich hätte es berlin-belgrad sein sollen im 3.
aus desinteresse dann hierher umgeschwenkt:
an fünf tischreihen jeweils ca. zehn 'experten', zu den verschiedensten themen, von rassismus über schlepperbanden, selbst-und fremdbilder, spirituality und global food strategies. jeweils eine halbe stunde. für drei euro buchbar zum gespräch - oder gratis zum zuhören dieser gespräche ein headset gegen personalausweis. du gibst drei euro, gehst zum experten deiner wahl, stellst deine fragen, und wir dürfen dabei lauschen. schöne idee. culture goes science goes politics does the everything transforming ringelpiez in a global discourse world. shifting, shifting, und auch du hast was zu sagen. von 20-24 uhr.
was wir nicht wussten, bzw. anfangs falsch verstanden hatten: die sprecher seiner wahl konnte man sich so ohne weiteres nicht aussuchen. pro halbe stunde wurden sechs auf verschiedenen kanälen freigeschaltet, anschliessend durfte man bei anderen auf die gleiche weise lauschen. so kam man nicht nur nicht gleich zu denen, die man eigentlich gerne gehört hätte - ich zb thomas arslan, oder koray yılmaz-güney von gladt, oder meine begleitung den ex-computer-guru und jetzigen technokritiker dr. joseph weizenbaum - sondern eben oft gar nicht, da sie nicht in die playlist aufgenommen wurden. es gab mehr sprecher als sendezeit!

das schöne also wäre bei diesem interaktiven spiel gewesen, zu jemandem hingehen zu können, der einen interessiert und diesen etwas fragen, das einen auch interessiert. eine tolle gelegenheit eigentlich, und es war ja auch wirklich fast jedes thema abgedeckt. das haben wir aber nicht gemacht. erstens kamen wir ziemlich unvorbereitet da hin, und zweitens fällt es mir eben auch ganz allgemein in so einem moment recht schwer, sofort bei einem wildfremden menschen einen haufen für mich relevante dinge anzusprechen. noch dazu eine halbe stunde lang vor potentiell einem ganzen saal fremder zuhörer.
also passiv mitmachen als letztere. sicherer.
schnell völlig genervt gewesen. (genervt hat übrigens eine ursprüngliche bedeutung: es kommt vom substantiv nerv und beschreibt deshalb auch eine sehr physische reiz-reaktion. das ist körperlich gemeint.)
gefallen hat mir bei all dem wortrauschen einzig ein alter mann, ein pole, der auf polnisch eigentlich etwas über eine vor langer zeit gemachte jugoslawienreise sprach. er sagte belgrad und tonio kröger von thomas mann und der zuhörer hörte zu. die übersetzerin war so alt wie der sprecher und hatte einen wunderbaren akzent, der auf mich reflexartig beruhigend wirkt.
alles andere fand ich anstrengend, auf-regend: es gab einen (nicht mehr ganz) jungen kulturjournalisten mit türkischem namen und lässig hochgeschraubtem soziologenzungenschlag, der über selbst gemachte ghettos und diskurse sprach/sprechen wollte und über machtverhältnisse bei sprechsituationen, d.h. eben darüber, wer gesellschaftlich was in einem bestimmten diskurs äußern darf, was das wiederum mit den benannten macht - ein interessantes thema, wohl nicht nur für mich, sondern auch für den, der dafür zahlte, um fragen zu dürfen. das problem für den war leider nur, dass dessen deutsch kein muttersprachliches war, und allein deshalb schon nicht auf jede "na ich sags dir mal so"-erläuterung des experten antworten konnte, welcher die kunst der selbstdarstellung längst zu einer ermüdenden perfektion gebracht hatte. der frager konnte dann schon nach kurzer zeit folglich auch allerhöchstens noch versuchen, schnell das ihm eben erklärte nochmal für sich selbst zusammenzufassen, bzw. auch das kaum noch - da wurde er schon wieder von einer "ja ganz genau ganz genau"-ausführung des angreifenden experten über den haufen geschwallt.
dialog als selbstreferentielles system sozusagen: ich erkläre dir, was die macht der sprache ist, indem ich dich so radikal und gleichzeitig so zuvorkommend wie ich nur zu können gelernt habe, an die wand rede. da siehste was.
das hat der experte bestimmt nicht bewusst gemacht. er hat eben nur so geredet, wie er es sich angewöhnen musste und der andere mit einem ganz anderen hintergrund eben auch.
aber das ist keine kommunikation, auch wenn es noch so tut. das ist die verabschiedung davon.
das anschließende gespräch übrigens dasselbe nur umgekehrt, wo ein deutscher student die klischees deutscher italienfahrer vor einer italienischen kulturwissenschaftlerin (expertin!) auseinandernahm, ohne das sie noch zu wort kam. "sieh, ich rede und ich bin. sieh hin hab ich gesagt."
raus müssen. das nicht mehr aushalten.
an der tür dann ganz zufällig eine andere freundin treffen, die man auch schon ganz lange nicht gesehen hat. eigentlich ein sehr stiller mensch. und bühnenbildner. sie wolle sich jetzt auch ein gespräch kaufen. und das hätte mich dann auch wirklich interessiert zum zuhören - aber da wollten wir auch schon weg zu einer freundin, die ab heute für vier monate fast allein im wald in der röhn sitzen wird, um die region zu erforschen. quality time! dialogische ruheinsel oder netter abend! aber auch da waren die jungen harald schmidts aus dem linken lager, von denen ich schon fast vergessen hatte, dass es sie gibt, schon laut die gespräche an sich reissend vor mir da. andere diskursiv moralisch und ironisch beherrschen, weil man selbst nicht tanzen will. (haben denn wirklich alle von dem gelernt? aber wo hat er es denn her? ausserdem frage ich mich gerade, ob die, die ich die harald schmidts nenne, nicht genau die sind, die in ingeborg bachmanns erzählung das dreissigste jahr die molls hiessen - ob sich also in den letzten fünfzig jahren und noch viel länger eigentlich gar nichts geändert hat...und dann auch noch: das dreissigste jahr! die erzählung beschreibt ja auch tatsächlich jemanden, der nach längerer zeit anderswo genau in dieser altersphase wieder 'zurückkommt'.)

der schock auch: zwar zu merken, dass man zwar ganz vieles, das man früher noch gemacht hatte, jetzt definitiv nicht mehr will und eigentlich auch kurz vorher noch gedacht hatte, dazu werde es bestimmt nicht mehr kommen - dass die strukturen aber in denen, die leute, mit denen man das machte, fast alle noch da sind - teils auch in einem selbst.
sofort, gleich am ersten abend sämtliche programmhefte von hau, arsenal, sophiensälen, france sur scène, antigewaltgespräche in türkischen sportclubs etc. einstecken, merken, dass man wieder anfängt, zu planen, selbst, bei dem, was einen "wirklich" nur interessiert - und einen spöttischen blick von der begleitung zugeworfen bekommen: du änderst dich auch nie. alles sehen und alles verstehen. wollen. dein filterproblem, ne?
nein, so ist es nicht. mehr. sagen wollen. aber der flashback, von der stadt mir serviert, hatte gesessen.

anderes filterproblem: sprache eben. mit einem mal ist dieser abstandshalter, den ich über anderthalb jahre von ihr hatte, der mir nuancen schützend vorenthielt, die ich in einer anderen ja unbedingt verstehen lernen wollte, wieder weg. in der ubahn. an der imbissbude. dialekte, mädchen, jungs, regionalismen, hierarchiemarker, gehässigkeitsgehack, feinheiten von feinheiten von feinheiten, von feinheiten, müll und assoziierungsschrott. berlin alexanderplatz (wo jetzt eine alexa-mall das ganze nochmal um ein winziges verhässlicht hat) von alfred döblin, ich bin franz biberkopf sagt fassbinder.

eine freundin, die mich in einem istanbuler stadtbus mal fragte, ob mich das, was die sitznachbarn da sagten, soweit ich es verstünde, denn nicht auch so aggressiv mache, wie sie. nein, wieso auch? lass sie doch. leute sind eben verschieden. - vergessen haben, wie es ist, einer sprache in ihrem ganzen umfang ausgesetzt zu sein. und es jetzt wieder wissen. ignorance als bliss. dostojewski wieder: man kann das nächste niemals so leicht wie das entfernteste lieben.

heute einem anderen freund helfen, der für eine ausstellung zu sich einen text schreiben sollte und dafür hilfe wollte. kein akademiker, kein kulturschaffender. im umgang mit sprache auch wirklich nicht gut. seine arbeiten oft scheinbar ganz einfach, 'naiv'.
die für diese ausstellung: ein aus leder gearbeiteter star spangled banner, verbunden mit einem ledernen an ein pferdegeschirr erinnernden fetisch: "we have nothing in common". wenn man das so beschreibt, ist es platt. wenn man es auf dem boden liegen sieht, ist es wunderschön und voller explodierender assoziationen. (wenn man sie denn zulässt und nicht gleich automatisch sprachlich befriedet.) gerade wegen vielen von diesen auch garantiert gut vereinnahmbar und verkäuflich. auf die meisten von denen wäre er selbst aber gar nicht gekommen. für ihn war es etwas durch und durch persönliches und mit dem ersten text, den sie ihm dazu geschrieben haben, war er deshalb auch gar nicht glücklich: von abu ghraib bis jasper johns wurde aber auch alles erklärt, was dieses outstanding piece of art denn enthalte. die themen der mitausstellerin bspw.: power, gender, transformation usw.

wie also für jemanden schreiben, der kein sprachmensch ist - der vielleicht auch ausserhalb dieser kategorien etwas sucht? der eigentlich ein sinnliches phänomen produzieren will, selbst wenn er nur einen kuchen anschneidet? so dauerte es für einen letzten endes nur zwei absätze langen text, annähernd zwei stunden, um ihn zu schreiben - obwohl ich ja "wusste", wie er sein sollte. rausnehmen, rausnehmen, abkürzen. mit worten hinter sie selbst gehen, um nicht mit erklärungen etwas kaputt zu machen, was nicht meines ist.
sehr anstrengend. sehr befriedigend. sich freuen, wenn man dann anschliessend überschwenglich gepriesen wird, aber auch etwas erschrecken - man wollte doch eigentlich was ganz stilles, leises, kleines machen.

jetzt bei einem anderen freund über gebühr die gemeinsame zeit verschreiben, um sich, sein internet nutzend, im öffentlichen tagebuch den kopf zu sortieren. eigentlich sollte doch spazieren gegangen werden. "äh, fertig!" :-)

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